An den Brennpunkten der Not da
Bereichsleiter Christian Eile kennt die Herausforderungen des letzten Jahres nur zu gut: „Gleich zwei Katastrophen in einem Jahr hat wohl keiner erwartet und sich auch niemand gewünscht. Als im Frühjahr der Krieg in der Ukraine ausbrach, war für uns schnell klar: Wir werden helfen! Nicht nur direkt vor Ort, sondern auch hier in Kärnten. Wir stellten unsere Expertise zur Verfügung, halfen bei Sachspendensammlungen unterschiedlicher Initiativen, wir sprangen dort ein, wo die Regierung zu lange brauchte, um die ankommenden Menschen aus der Ukraine zu unterstützen, und errichteten selbst zwei Grundversorgungsquartiere. Gefordert und sofort zur Stelle waren wir auch im Sommer, als ein schreckliches Unwetter über das Gegendtal zog. In nur einer Nacht verloren viele Kärntner Familien alles. Wir waren da: Wir halfen rasch und unbürokratisch mit Soforthilfen in Form von Bargeld, damit wichtige Anschaffungen gleich getätigt werden konnten.“
„Wegen der Krisen der letzten Jahre befindet sich Österreich inmitten der größten Inflation seit fast 50 Jahren. Der Wertverlust bedeutet einen enormen Preisanstieg für das Notwendigste, vor allem für Energie, Wohnen und Lebensmittel. Alle spüren die Teuerungswelle, aber armutsbetroffene und armutsgefährdete Familien werden von ihr regelrecht überrollt. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist der Warenkorb: Dieser misst die Preise von 40 Lebensmitteln und Hygieneartikeln des täglichen Bedarfes für eine Woche. Er stieg von September 2021 auf September 2022 um 33,2 Prozent. Wir versuchen in unseren Sozialberatungsstellen, unseren Einrichtungen für wohnungs- und obdachlose Menschen oder in unserer Lebensmittelausgabe (LEA) Not und Teuerung abzufedern. Aber: Wir werden einen langen Atem brauchen, und auch die Regierung wird Maßnahmen setzen müssen, um der verschärften Situation entgegenzuwirken.“
Rasche und zielsichere Hilfe
Der Krieg in der Ukraine, im Herzen Europas, hat uns alle schockiert und verursacht noch immer täglich großes Leid. Um die Not der ankommenden Flüchtlingsfamilien zu lindern, haben wir von Anfang an eng mit der ukrainischen Community zusammengearbeitet und sprangen dort ein, wo die öffentliche Hand gefragt gewesen wäre. Denn: Ankommende, die in Privatquartieren lebten, mussten bis zu zwei Monate warten, bis sie das erste Geld aus der Grundversorgung vom Land erhielten. Sie sind mit Nichts gekommen und hätten ohne Hilfe nicht einmal das Notwendigste zum Leben gehabt. Wir unterstützten Familien mit Lebens- und Bekleidungsgutscheinen sowie Hygienepaketen und standen ihnen beratend zur Seite, damit sie rasch auf eigenen Beinen in einem für sie fremden Land stehen konnten.
Ein sicherer Ort zum Leben
Wir begegneten im Vorjahr vielen Menschen, die vor dem Krieg geflohen sind. Eines eint sie alle: Die Dankbarkeit, in Kärnten leben zu können – weit weg von Bombeneinschlägen und Schüssen. Wir errichteten Grundversorgungsquartiere in Friesach und Feldkirchen. Hier ist uns besonders das Gespräch mit Lena im Gedächtnis geblieben: Als die ersten Bomben fielen, hat sie sich mit ihrer Mutter aufgemacht. Zurückbleiben musste ihr 22 Jahre alter Sohn. Mitgenommen hat die 43-jährige Universitätsdozentin die Sorge um ihn.
Sorgen und Ängste tragen viele mit sich: Sie haben den Krieg im Herzen Europas hautnah erlebt, hörten wie Bomben einschlugen, sahen Verletzte, vielleicht auch Tote und mussten um ihr Leben fürchten. Hier in Kärnten versuchen sie nun, sich ein neues Leben aufzubauen und heimisch zu werden.
Große Hilfsbereitschaft
Der Krieg nahm auch im Laufe des Jahres kein Ende. Um die Ankommenden in unseren zwei Quartieren mit dem Nötigsten zu versorgen und weil viele Kärntner*innen das Bedürfnis hatten zu helfen, sammelten wir nicht nur Geld- sondern auch Sachspenden: Wir haben zu Beginn der Krise der Stadt Klagenfurt und der ukrainischen Community bei den Sammlungen in der Messehalle unter die Arme gegriffen. Später kooperierten wir mit der Post, damit jede*r, der*die helfen wollte, ein Hilfspaket mit gebrauchten Sachspenden kostenlos zu uns liefern konnte. Außerdem haben wir im Salzburger Hof in Klagenfurt auch eine Annahmestelle geschaffen, die auch als Ausgabe- und Informationsstelle für geflüchtete Menschen aus der Ukraine fungierte. All unsere Hilfe ist nur dank Spender*innen und Helfer*innen möglich, und unsere Hilfe geht auch 2023 weiter!
Binnen Minuten Hab und Gut verloren
Schock und Verzweiflung im Kärntner Gegendtal Ende Juni: In nur einer Nacht tobten verheerende Unwetter und verwüsteten Treffen sowie Arriach. Gut, wer sich retten konnte – wie jene Familie mit zwei kleinen Kindern und dem Hund, die es noch auf die Terrasse schaffte. Binnen Minuten stand das gesamte Erdgeschoss unter Wasser, Autos schwammen einfach davon. Papiere, Bargeld, das Dach über dem Kopf und sämtliche Erinnerungen wurden in wenigen Minuten weggespült, ja unter Schlamm begraben. Manch' Familie rettete sich über die Fenster hinaus und hatte Glück, nicht mit den Wasser- und Geröllmassen mitgerissen zu werden. Ein Mann schildert eindrücklich, wie er seine körperlich behinderte Tochter aus dem unterem Geschoss über die Stiege hinauf retten konnte, als Wasser und Schlamm durch die Fenster drangen.
Unser Direktor Ernst Sandriesser machte sich einen Tag nach dem Unwetter auf dem Weg zu einem Lokalaugenschein und kam mit dem Entschluss zurück: Es braucht schnelle und unbürokratische Soforthilfen für besonders betroffene Familien. Gesagt, getan! Gemeinsam mit unserem Krisenstabsleiter Christian Eile und den Bürgermeistern folgten weitere Besuche der Gebiete – Soforthilfen in Form von Bargeld inklusive. Sprachlosigkeit, Tränen und sogar Umarmungen gab es für unsere Mitarbeiter*innen, die diese Hilfen übergaben. „Das habe ich jetzt nicht erwartet, das hilft uns so für die ersten Anschaffungen, die wir jetzt dringend tätigen müssen“, zeigte sich eine Familie für diese erste schnelle Hilfe dankbar. Andere waren sprachlos. „Danke, bitte sagen Sie allen, die spenden, Danke für ihre Hilfe“, baten die Betroffenen den Caritasdirektor. Unsere Hilfe wäre nicht möglich gewesen, wenn die Kärntner*innen nicht gespendet hätten – im Vertrauen darauf, dass ihre Spende bei jenen ankommt, die es am dringendsten brauchen.
Beeindruckende Solidarität
Wir waren ob des großen Einsatzes der Rettungskräfte und des Zusammenhalts in der Bevölkerung tief berührt. Im betroffenen Gebiet befinden sich nämlich auch mehrere Kinderbetreuungseinrichtungen sowie unser Haus Antonius, eine stationäre, sozialpädagogische Einrichtung. Die Kinder und Jugendlichen jenes Hauses waren verängstigt, als in der Nacht die Katastrophe ausbrach und sich Geröll und Schlamm hüfthoch im Keller ausbreiteten. Sie wurden in der Folge wohlbehalten evakuiert und konnten erst Ende Juli wieder zurück in ihre gewohnte Umgebung. Dass der Zusammenhalt auch innerhalb der Caritas groß ist, zeigte die schnelle und unkomplizierte Unterbringung der 18 Kinder und Jugendlichen sowie ihrer Betreuer*innen in unserem Pflegewohnhaus „St. Hemma-Haus“ in Friesach – Vollpension inklusive.
Der erste Klick zur Hilfe
Nicht nur Corona und die wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukraine-Kriegs belasteten im letzten Jahr immer mehr Familien in Kärnten. Wir helfen Menschen in allen Lebenslagen. Ob bei Geld- oder seelischer Not oder bei Fragen zu den Themen Schule, Trauer & Hospizbegleitung, Kinderbetreuung, Flucht, Migration, Pflege, Behinderung und viel mehr: Mit unserem neuen Caritas Wegweiser schaffen wir Orientierung für Hilfesuchende und die Möglichkeit, anonym und unkompliziert zum passenden Hilfsangebot oder direkt zur Online-Beratung zu gelangen. Dazu braucht es nur die Beantwortung einiger Fragen zur aktuellen Situation und Region und schon führt einem der Wegweiser zur passenden Anlaufstelle und/oder Ansprechperson.
Schnell, unkompliziert und ortsunabhängig
2022 ging auch unsere Sozialberatung online. Damit können unsere Services auch von zu Hause aus in Anspruch genommen werden. Über die Online Sozialberatung, die aus Mitteln des Bundesministeriums für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz gefördert wird, können sich Menschen in sozialen und finanziellen Notlagen schnell und unkompliziert direkt an eine*n Caritas-Berater*in wenden, per sicherer E-Mail Kontakt aufnehmen oder online einen Termin für ein Beratungsgespräch vereinbaren. Notwendige Dokumente können ganz einfach und datenschutzkonform online mit den Berater*innen ausgetauscht werden. Damit können wir Menschen, die unsere Hilfe brauchen, noch schneller zur Seite stehen.
„zuhause ankommen“
Die Covid-19-Pandemie hinterlässt noch immer ihre Spuren, vor allem bei ausgrenzungsgefährdeten Menschen, die etwa ihre Wohnung oder ihr Obdach verloren haben. Hier schreitet die Initiative „zuhause ankommen“ der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAWO) ein. Geholfen wird nach dem international bewährten „Housing First Prinzip“. Das heißt, Menschen, die von Obdach- oder Wohnungslosigkeit betroffen sind, erhalten direkt Zugang zu einer leistbaren Wohnung mit eigenem Mietvertrag. Sozialarbeiter*innen betreuen sie da, wo sie gebraucht werden, um gut im neuen Alltag anzukommen, damit die Hilfe nachhaltig wirkt. „zuhause ankommen“ wird zur Gänze vom Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz finanziert.
Den Alltag hinter sich lassen
Unsere Wohnungslosentagesstätte „Eggerheim“ mit der angeschlossenen Notschlafstelle und Lebensmittelausgabe „LEA“ sind Orte der Hoffnung für armutsgefährdete und/oder obdachlose Menschen. Die Besucher*innen können ihre Grundbedürfnisse in unseren Einrichtungen stillen, erhalten Beratung sowie Unterstützung, aber auch ein offenes Ohr für ihre Sorgen und Probleme. Um zumindest ein paar Tage die Schwere des Alltags vergessen zu können, bot Sr. Grete Traußnig nun zum wiederholten Male eine Pilgerreise für die Besucher*innen an. Diesmal unternahmen die Pilger*innen eine Fußwallfahrt vom Loibl aus nach Gurk. Die viertägige, doch auch anstrengende Reise zum spirituellen Zentrum der Hemmaverehrung in Kärnten war geprägt von Freude, Heiterkeit und Freundschaftlichkeit.
Das zweite Angebot, dem Alltag zu entkommen, war der Abstecher nach Caorle. Hier konnte die Reisegesellschaft die letzten Sommertage genießen. Nach einer verregneten Anreise mit dem Bus, der von der Stadtgemeinde Ferlach finanziert wurde, begrüßte die Sonne die sieben Urlauber*innen. Allesamt im letzten Jahr noch von Wohnungslosigkeit betroffen, genossen sie die Auszeit vom Alltag in vollen Zügen: Es wurde in der warmen Adria gebadet, ein Boccia-Turnier ausgetragen, am Lagerfeuer, in der Spielhalle und bei einem Altstadtbummel die Gesellschaft genossen. Ein besonderer Abend war das Fischspezialitäten-Dinner, zu dem die Reisegruppe dank eines alten Bekannten unseres Sozialarbeiters Martin eingeladen wurden. Am letzten Tag schaute auch noch Bischof Josef Marketz vorbei, der mit den Urlauber*innen eine heilige Messe feierte.